Wir arbeiten mit einem Stärken basierten Ansatz

Das Team Umweltökonomie des Umweltbundesamts Österreich arbeitet in kollektiver Führung

Kollektive Führung durch einen gemeinsamen Purpose

 

Sigrid Svehla-Stix arbeitet als Umweltökonomin beim Umweltbundesamt. Sie ist Teil eines kollektiv geführten Teams. Dies bedeutet, dass das „Team Umweltökonomie“ keine explizite Führungskraft hat, sondern dass sich das Team von 9 Personen selbst führt. 

Bei kollektiver Führung gibt es klare, transparente Rollen. 
Dafür dient das Konzept der Kreise aus der Soziokratie (Anm. „wir entscheiden gemeinsam“ – die Gleichwertigkeit aller Beteiligten steht im Vordergrund) bzw. Holokratie (Anm. ein Organisationsmodell, bei dem ein Unternehmen seine Hierarchien abschafft), nach dem Entscheidungen getroffen werden. 
Man organisiert sich in Gruppen, wobei es hierbei nicht unbedingt darauf ankommt, dass die Menschen die gleichen Wertevorstellungen haben – wie es zB beim Jobsharing Matching wichtig ist. 
Wichtig ist hierbei das Prinzip, dass die Menschen einen gemeinsamen Purpose, ein gemeinsames Ziel, erarbeiten und nach diesem arbeiten.

Wie kollektives Führen in der Praxis funktioniert, habe ich mit meiner Namensvetterin Sigrid im Interview besprochen – und viele spannende und für mich neue Ansätze kennengelernt. 

Wir haben das Konzept für uns selbst erarbeitet

Beim Umweltbundesamt Österreich gibt es viele Möglichkeiten Arbeit flexibel zu gestalten, Jobsharing und Führung in Teilzeit sind im Unternehmen prinzipiell möglich. Es ist allerdings schwer in Teilzeit zu führen, da diese Rollen auch hier relativ groß und umfangreich sind.

Im Team der Umweltökonomie arbeiten hauptsächlich Frauen und auch Mütter in Teilzeit. Als sich längere Zeit niemand für die fachspezifische Position des „Head of Expert Team“ fand, kam unter den Teammitgliedern die Idee der kollektiven Führungsmethodik auf. 
Einige davon hatten bereits Erfahrungen mit dem Grundkonzept aus ihrem persönlichen Background heraus. Das Vereinswesen bzw. das kollektive Gestalten von Lebensräumen wie Kindergärten etc. ist dem kollektiven Führungsansatz ähnlich konzipiert. 

Im holokratischen System gibt es klare, definierte Rollen – und im Fall des Team Umweltökonomie sind diese Rollen zusätzlich nach den Stärken der Teammitglieder ausgerichtet. 
Obwohl niemand der Kolleg:innen Coach oder sonstwie für dieses System zertifiziert ist, haben sie sich selbst eingelesen und ihr eigenes Modell konzipiert. 

Den Purpose feststellen

Bevor man wirklich ins Tun kommen kann, muss der gemeinsame Purpose des Teams festgestellt werden, und die persönlichen Stärken der Teammitglieder erhoben werden, nach dem sich alle weiteren Schritte ausrichten. 
Wofür sind wir alle gemeinsam da - auch wenn wir aus unterschiedlichen Milieus und Wertevorstellungen zusammenkommen? 
Sigrid Svehla-Stix: „In unserem Fall ist der Purpose die fachliche Arbeit zum Thema Umweltökonomie. Hier wollen wir die größtmögliche Wirkung für unsere Kund:innen erzielen. Wir waren die ersten, die es im Umweltbundesamt offen ausgesprochen haben, dass wir die kollektive Führung leben. Obwohl es zB auch in der fachlichen Leitung und der Geschäftsführung schon seit längerer Zeit ein ähnliches Modell gibt. Wir machten es im Team einfach „offiziell“ und kommunizieren es dementsprechend an unser Umfeld.

Zu Beginn erhob man die persönlichen Stärken der Kolleg:innen. Hier führte jedes Teammitglied individuell eine einfache Stärkenanalyse durch (ehemalige) berufliche Kontakte durch. Diese Einblicke präsentierte man sich gegenseitig und stellte fest, wo die Stärken welcher Personen waren. 
Eine gewisse Heterogenität bereichert im Kollektiv die Arbeitsweise, denn es gibt oft wichtige Ergänzungen an Fähigkeiten und Kompetenzen. Auch ältere/erfahrenere Kolleg:innen konnten sich dadurch ganz einfach in das Team einfinden, weil sie auf Basis ihrer Stärken aufgenommen wurden.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert die Einführung eines solchen Modells eine Zeitlang mit Coaching zu begleiten, damit die Menschen besser und schneller in ihre Rollen finden.
Die Kolleg:innen der Umweltökonomie zogen in ihrem Fall interne Moderatorinnen bzw. Organisationsentwicklerinnen aus dem Umweltbundesamt zur Unterstützung heran, die halfen ihr Konzept weiter auszuarbeiten. 

Ein Stärken basierter Ansatz ist für das Unternehmen sehr vorteilhaft, weil die Mitarbeiter:innen zufriedener und effizienter werden, sich wertgeschätzt fühlen und somit besser zum Unternehmenserfolg beitragen. 

Rollen und Arbeitskreise

Das Team arbeitet nach festgesetzten Rollen bzw. Arbeitskreisen. Die Arbeitskreise, die meist aus 2 bis 3 Personen bestehen, haben regelmäßige (und bei Bedarf anlassbezogene) Treffen, in denen die aktuellen Themen besprochen und abgeklärt werden. 
Das Team der Umweltökonomie hat sich zum Beispiel für die Rollen

  • Kommunikation,
  • Qualitätssicherung,
  • Akquise,
  • Kompetenzentwicklung und Kompetenzmanagement,
  • Operative Ressourcensteuerung,
  • Strategie und
  • eine Reflexionsrolle entschieden. 

Die Rollen sind vor allem dafür verantwortlich, dass eine Aufgabe erledigt wird. Das kann genauso durch eine andere Person erfolgen wie durch einen selbst. Wichtig ist nur, dass man dafür sorgt, dass die Aufgabe erfüllt ist. Oder es wird aus der Rolle heraus entschieden, ob man vielleicht noch weitere Kolleg:innen aus anderen Arbeitskreisen hinzuziehen muss. 
Um dieses System erfolgreich umzusetzen braucht es Nachbesprechungen und Feedbackrunden, die man verwalten muss. 
Außerdem müssen im Vorfeld Entscheidungsregelungen transparent besprochen werden. 
Für welche Bereiche verfüge ich (meine Rolle) über eine gewisse autonome Entscheidungsfreiheit und für welche Fälle muss etwas abgestimmt werden?

Rollierende Verantwortlichkeiten entlasten

Für das Team gibt es intern wie auch extern eine Email Adresse, über die kommuniziert wird. Außerdem erfolgt der Austausch über das Intranet und die Yammer Seite innerhalb des Unternehmens. Dafür gibt es ebenfalls zwei Personen aus dem Team, die diese Accounts betreuen. 
Die internen Kommunikationskanäle werden rollierend bearbeitet. Alle vier Monate gibt es neue Verantwortliche für die Koordination. 
Beispielsweise wird der Fachaustausch mit anderen Abteilungen und die Fachteamklausur rollierend unter den Teammitgliedern getauscht. So ist die Arbeitslast gerechter aufgeteilt und Überlastungen können besser abgefedert werden. 
Man teilt sich den Druck auf, somit wird er für alle weniger – und Krankheiten wird vorgebeugt, die Intelligenz des Schwarms bestmöglich entfaltet. 

Um Konflikte zu vermeiden gibt es regelmäßige „Spannungsmeetings“ oder „Sync Meetings“. Hier kann man über fachliche Spannungen sprechen und gemeinsam Lösungen finden. Sollte es aber zu persönlichen Spannungen kommen, nimmt sich das Reflexionsteam des Problems individuell an. 

Sigrid Svehla-Stix: „Das Modell der kollektiven Führung erlaubt kein Trittbrettfahren. Jeder ist voll involviert. Schnell ist man involviert und kann sich am Ende kein anderes Arbeiten mehr vorstellen. Wir arbeiten mit einem ständigen Sounding Board, das uns Klarheit verschafft – und Klarheit gibt Sicherheit.“

Die kollektive Führung richtet sich an den Menschen und deren Bedürfnissen aus, Nebenbedingung bleibt aber die Unternehmensziele, welche jeder:e klar vor Augen hat.
Es ist getragen von Flexibilität und gemeinsamen Lösungsansätzen
Worauf es bei diesem Arbeitsmodell ankommt ist das mitdenken, mitgestalten und mitlenken Wollen aller Beteiligten. 
Wer sich für das Thema interessiert, kann sich sehr ausführlich im Internet dazu informieren. :)

zB: 

https://www.kollektivefuehrung.de/wp-content/uploads/2021/07/200505_L3-Artikel_300-1.pdf

https://die-werteentwicklung.de/blog/artikel/kollektive-fuehrung/

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