Karenz vorbei. Karriere auch? Nicht, wenn man Führung neu denkt.
Wie zwei Frauen bei der Allianz zeigen, dass Co-Leadership Teilzeit, Verantwortung und Wirksamkeit verbindet – und warum der Wiedereinstieg kein Karriereknick sein muss.
Der Wiedereinstieg nach der Karenz ist für viele Frauen eine berufliche Herausforderung. Mittlerweile gibt es firmenseitig oft Programme und Angebote, doch auf der individuellen Ebene ist es immer noch ein massiver Einschnitt im Berufsleben einer Frau.
Die vorige Stelle ist oft weg und frau wird zugeteilt, wo „gerade was frei“ ist, was mit der Stundenzahl der Karenzrückkehrerin halbwegs vereinbar ist.
Richtige Person auf richtiger Stelle? Förderung von Mitarbeiter:innen und oder deren Weiterentwicklung? Fehlanzeige.
Das Potential liegt oft brach und so wirklich glücklich ist selten wer damit.
Leider werden Führungsrollen selten in Teilzeit vergeben. Daran hat sich auch mit der steigenden Nachfrage an Teilzeit insgesamt nichts geändert. Zu viel Verantwortung, zu viel workload, zu viel Mitarbeiter:innen, die es zu führen gilt. Das geht sich in Teilzeit selten aus und schneidet damit gut ausgebildete, langjährig erfahrene Frauen bzw. Mütter, die nach der Karenz in Teilzeit arbeiten vom beruflichen Vorwärtskommen ab.
Eine Patt-Situation? Nein!
2, die aktiv beschlossen haben, das zu ändern sind Irene Vavrik und Jasmina Cetin von der Allianz. Sie sind seit vielen Jahren in dem Unternehmen beschäftigt und kannten sich daher schon länger. Sie hatten nach ihrer ersten Karenz 1,5 Jahre im gleichen Team gearbeitet, so wussten sie, wie die andere „tickt“ und so lernten sie sich über die Jahre immer besser kennen und wurden zu Vertrauten.
Ein Ausweg aus der Patt-Situation: Führung im Tandem
Irene & Jasmina, wie war euer Start ins Co-Leadership? Wer hat da wen drauf angesprochen? Wer von euch beiden hatte die Idee? Und wie wurde sie aufgenommen?
Jasmina: Über das Teilen einer Stelle hatten Irene und ich schon Ende 2019 gesprochen. Unsere Vision war schon damals klar: die Vereinbarkeit von Führung und Familie. Wir wollten das Beste aus beiden Welten schaffen. Als die Stelle der Gebietsleitung Vertrieb im Frühling 2023 ausgeschrieben wurde, haben Irene und ich bei einem Gespräch den Entschluss gefasst, uns zusammen zu bewerben.
Irene: Zusammen bringen wir die Kombination unterschiedlicher Perspektiven und individuellen Stärken ein, um einem modernen Führungsstil gerecht zu werden. Gleichzeitig möchten wir Zeit mit unserer Familie verbringen. Für uns war es die logische Konsequenz, dass wir uns als Tandem bewerben.
Ihr habt euch dann gemeinsam auf eine im Unternehmen freie Führungsstelle beworben. Wie seid ihr das angegangen? Habt ihr vorher das Gespräch mit den Führungsverantwortlichen und der HR-Abteilung gesucht und wie wurde euer Vorhaben da aufgenommen?
Irene: Wir haben vor unserer offiziellen Bewerbung mit HR abgeklärt, ob ein Co-Leadership in der Allianz als Gebietsleiterinnen denkbar ist. Nach einem positiven Gespräch haben wir anschließend unserer jetzigen direkten Führungskraft, Beate Sommerer, von unserer Idee erzählt. Sie hatte bereits Erfahrung mit ähnlichen Konzepten gesammelt und war unterstützend, hat uns Feedback gegeben und uns gechallenged.
Jasmina: Aus unserer Sicht wurde von vielen Verantwortlichen der Mehrwert gesehen, den wir für das Unternehmen liefern können. Wir liefern für das Unternehmen zusammen 200% Energie: unterschiedliche Stärken und Lösungsansätze sowie mehr Kreativität. Zusätzlich können wir einander flexibel vertreten z.B. im Urlaub oder bei Krankheit. Dieser Mehrwert macht das Konzept für das Unternehmen wertvoll.
Gab es auch kritische Stimmen und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt war dies der Fall? Ihr wart im Rennen um eine große Rolle, da waren bestimmt auch andere KandidatInnen im Feld. Was glaubt ihr, war der Grund, warum man EUCH beide dafür genommen habt?
Irene: Es gab einen klassischen Bewerbungsprozess – mit internen und externen Kandidat:innen. Die Gespräche haben wir zusammen als Team geführt. In diesem Prozess wurden wir beide fachlich und unser Co-Leadership Konzept gechallenged. Durchgesetzt haben wir uns aufgrund unserer Erfahrung, unserer Kompetenzen und der Stärke miteinander.
Jasmina: Der Prozess war für uns eine großartige Gelegenheit unser Konzept sehr gut zu planen und uns auf die Stelle als Gebietsleiterinnen vorzubereiten. Wir haben viel Input bekommen. So wussten wir bereits vor unserem eigentlichen Arbeitsbeginn als Gebietsleiterinnen, wie wir uns unsere Aufgaben am besten aufteilen. Dieses ursprüngliche Konzept ist auch nach wie vor das Kernelement unseres Co-Leadership-Konzeptes.
Was Co-Leadership im Alltag braucht – und was Tandems daraus mitnehmen können
Ihr habt euch von Anfang an Zeit genommen, um an eurer Zusammenarbeit zu arbeiten. Ihr hattet fixe Termine eingeplant, um euch die Aufgaben und Rollenverteilung sowie Mitarbeiterführung auszumachen. Wie viel Zeit habt ihr am Anfang dafür verwendet und wie ist das heute, 1.5 Jahre später?
Jasmina: Wir arbeiten beide in Teilzeit und haben bewusst auf eine starre Aufteilung der Arbeitstage verzichtet. Dadurch bleiben wir regelmäßig und spontan im Austausch, was uns enorm stärkt. Wir kommunizieren täglich miteinander in kurzen oder längeren Stand up-Calls bzw. persönlichen Meetings und sehen uns häufig im Büro. Es gab anfangs einen exakten Plan, wer wann welche Aufgaben macht.
Irene: Kommunikation ist nach wie vor das zentrale Element unseres Konzeptes. Doch nach mittlerweile 2 Jahren kennen wir uns sehr gut und agieren auch intuitiv. Gerade im Vertrieb ist es entscheidend, flexibel und zielgerichtet zu arbeiten – eine Struktur, die uns erlaubt, schnell auf Veränderungen zu reagieren und unsere Unternehmens- und Bereichsziele zu verfolgen. Bei regelmäßigen Workshops verbessern wir daher unser Konzept ständig.
Eure CFO hat euch in eurem Vorhaben unterstützt und stand als Sparring Partnerin zu Seite. Wie wichtig ist so ein Sparring durch eine 3. Person eurer Meinung nach?
Irene: Wir sind sehr dankbar für den Austausch und Sparring mit unserer ehemaligen CFO, Anne Thiel, und vielen anderen Führungskräften innerhalb der Allianz. Unser Modell hat für das Unternehmen viele Vorteile wie z.B. Diversität in der Entscheidungsfindung, Flexibilität und Agilität sowie unsere starke Teamkultur.
Jasmina: Der Austausch mit Sparring Partnern bereichert unser Konzept, zeigt uns neue Perspektiven und ermöglicht uns, unser Co-Leadership -Konzept noch besser zu machen und somit besser für das Unternehmen zu arbeiten.
Was würdet ihr anderen Tandems raten, die sich gemeinsam auf eine ausgeschriebene Vollzeit-Stelle (im eigenen) Unternehmen bewerben möchten? Was sind eure key take aways bzw. learnings gewesen?
Jasmina: Habt den Mut, den ersten Schritt zu gehen, und seid proaktiv! Sucht euch eine:n passende:n Tandempartner:in und bewerbt euch gemeinsam auf „klassische“ Vollzeitstellen.
Irene: Wartet nicht darauf, dass eine „Co-Leadership Position“ ausgeschrieben wird. Co-Leadership ist ein Weg, der euch persönlich bereichert und das Unternehmen stärkt.
Vielen Dank für das Gespräch und dass ihre eure Erfahrung mit anderen teilt 💞