Wir wollen beide das Beste für die Sache

Iris Appiano-Kugler und Martina Maurer Topsharing Arbeitsmarktpolitik Frauen AMS

Mit Jobsharing wird der Wissenstransfer gewährleistet

Martina Maurer habe ich auf einer Veranstaltung kennengelernt. Im Gespräch erfuhr ich, dass die stellvertretende Abteilungsleiterin für Arbeitsmarktpolitik für Frauen beim Arbeitsmarktservice (AMS) im Jobsharing arbeitet.

Was war ich fasziniert, als sie mir erzählte, dass sie eines meiner Lieblingsmodelle des Jobsharing Konzepts mit ihrem JobTwin lebt!

Martina arbeitet gemeinsam mit Iris Appiano-Kugler im Tandem – Martina befindet sich in Elternteilzeit im Aufbau für die Führungsrolle, die sie mit Iris teilt, die gerade das Altersteilzeit Modell in Anspruch nimmt.

So haben sich die beiden Expertinnen gefunden

Das AMS Österreich hat einen Gleichstellungs-und Frauenförderungsplan. Dessen Ziele sind nicht nur die Gleichstellung von Frauen und Männern. Er richtet sich an alle Mitarbeiter:innen und fordert Nichtdiskrimierung für alle. Er definiert die gleiche Beteiligung an Verantwortung und Entscheidungen. Der 50% Frauenanteil in Führung wurde im AMS bereits 2018 erreicht. Derzeit sind ca. 2/3 der AMS Beschäftigten Frauen. Längerfristig ist es das Ziel den Frauenanteil entsprechend ihrem Anteil an den Beschäftigten zu erreichen, und nicht zuletzt Vereinbarkeit für Familie und Beruf schaffen. Und dieser Plan wird aktiv umgesetzt.

Martina und Iris haben sich im Zuge der Besetzung der Nachfolge der Abteilungsleitung für Arbeitsmarktpolitik für Frauen gefunden. Iris kam neu in die Rolle, als Martina, die bereits die Stellvertretung der Position inne gehabt hatte, kurz darauf in Elternkarenz ging – und so die Chance zur Bewerbung auf die Stelle nicht wahrnehmen konnte. Als Martina in Elternteilzeit zurückkehrte, gab es zeitgleich die Möglichkeit für Iris in Altersteilzeit zu gehen und Martina gleichzeitig als zweite Führungskraft in der Rolle einzusetzen.

Wer übernimmt den Lead?

Vielen Dank, liebe Martina, liebe Iris, dass Ihr mir heute über Eure Erfahrungen als Führungsduo beim AMS erzählt. Ich freue mich heute besonders hier zu sein, da Ihr ein momentan so spannendes Arbeitsmodell lebt. Iris ist in Altersteilzeit gegangen und Martina übernimmt die Rolle als zweite Führungskraft in Elternteilzeit. Wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit?

Iris: Ich war bis Ende 2019 Personalchefin beim AMS, wofür ich mich vor ca. bereits 15 Jahren aus einem Teilzeitjob im AMS heraus beworben hatte.  Aus einer Teilzeitposition Führung anzustreben - das ist beim AMS schon lange kein Tabu mehr. Ich hatte mit Martina schon in einigen Projekten zusammengearbeitet und kannte sie daher gut. Ich habe die Leitung Arbeitsmarktpolitik für Frauen 2019 übernommen und 2021 kam Martina aus der Karenz zurück.  Meine letzten 10 Berufsjahre waren extrem arbeitsintensiv, daher habe ich das Angebot der Altersteilzeit als sehr attraktiv empfunden. Ich will kurz vor der Pension mental wie auch physisch gesund und fit bleiben und trotzdem meine Arbeit leisten. Somit war ich  sehr froh, dass ich bei Martinas Rückkehr in die Altersteilzeit gehen konnte und sie meine freigewordenen Führungsanteile in ihrer Elternteilzeit übernommen hat.

Ich habe ein Stufen-Modell gewählt, wo ich über die nächsten 5 Jahre immer jeweils 20% weniger pro Jahr arbeite, und dabei aber durchgehend 60% verdiene.

Martina: Ich bin seit 2008 beim AMS und habe  2018 die stellvertretende Leitung dieser Abteilung  übernommen. Als ich dann zum zweiten Mal schwanger wurde und meine Chefin in Pension ging, konnte ich mich nicht um die Stelle bewerben. Daher war es ein optimaler Fall, dass ich nach meiner Rückkehr mit Iris gemeinsam die Position einnehmen konnte – und trotzdem in Elternteilzeit arbeiten kann. Ich stieg zuerst mit 22 Stunden ein, weil mein jüngeres Kind noch sehr klein war. Mittlerweile habe ich auf 32 Stunden erhöht.

Wie ist es Euch denn beim Start der Zusammenarbeit ergangen?

Iris: Wir haben im Dezember 2021 gestartet und zuallererst gesagt, lass uns mal anfangen, und dann schauen wir, wie es läuft. Wir haben also losgearbeitet und bald festgestellt, dass wir es nicht so richtig geschafft hatten die gemeinsame Strategie zu entwickeln.

Nach ca einem halben Jahr haben wir uns entschieden ein Coaching in Anspruch zu nehmen, damit wir wesentliche Führungsagenden gut aufteilen und nicht zu viele Kilometer mit Versuch und Irrtum verlieren.

Wir betrachten uns mittlerweile gemeinsam als eine Führungskraft, und definieren im Zusammenspiel, was unsere Vision ist und wo die Reise hingehen soll.  

Wir sind beide stark operativ tätig, unsere interne Abteilung ist nicht so groß. Wir sind zu siebt in dieser Abteilung. In unserer Leitungsfunktion sind für zwei Arbeitsbereiche zuständig: Gleichstellung in der Arbeitsmarktpolitik und Gleichstellung für AMS Mitarbeiter:innen. Für beide Bereiche gibt es jeweils Gleichstellungsbeauftragte in den Landesorganisationen des AMS, sowie in allen regionalen Geschäftsstellen des AMS.. Dadurch ist sichergestellt, dass Gender Mainstreaming in allen Prozessen, Programmen und auf allen Ebenen umgesetzt werden kann. Das System funktioniert wunderbar.

Martina: Als ich zurückkam, hatte sich unsere Abteilung aufgrund von Fluktuation  stark verändert. Die vorherige – sehr erfahrene und langjährige – Chefin war in Pension gegangen. Ich musste mich in dem Team neu einfinden.

Wir haben recht schnell beschlossen, dass wir ein Coaching brauchen, das uns (auch jetzt noch gelegentlich) unterstützt, den Fokus richtig zu legen. Es hat uns sehr geholfen für uns beide einen gemeinsamen Weg zu entwickeln und  v.a. den Arbeitskolleginnen in der Abteilung Orientierung und Klarheit in den Leitungszuständigkeiten zu geben.

Was sind Eure Kerngebiete bzw. worauf fokussiert Eure Abteilung?

Iris: Unser Fokus liegt auf der Gleichstellung von Frauen. Intern, aber auch extern am Arbeitsmarkt mit einem intersektionalen Ansatz unter Betrachtung aller Dimensionen von Diversität aus Frauensicht.

Wir gliedern das arbeitsmarktpolitischen Frauenprogramms in 4 Bereiche:

  • Frauen in Handwerk&Technik,
  • Wiedereinstieg unterstützen,
  • Frauenberufszentren und
  • Kompetenz mit System.

Außerdem sind wir verantwortlich dafür, dass sich die Strategie Gender Mainstreaming im gesamten AMS in allen Prozessen, Zielen, Plänen, Arbeitsprogrammen uä wiederfindetDas bedeutet, dass sich diese Methode oder Strategie in allen Fachbereichen und Themenfeldern wiederspiegelt und kontrollier-bzw. steuerbar wird.

Wie teilt Ihr Euch die Führungsfunktion jetzt genau auf?

Martina: Systemtechnisch übernehme ich 40% der Führung, Iris hat 60% inne. Sie ist offiziell für das Budget zuständig und hat die Personalverantwortung. Allerdings besprechen wir alle strukturellen und strategischen Dinge miteinander, somit ist das quasi die Systemlösung am Papier. In der Praxis sehen wir uns gleichgestellt in der Führung und leben das auch so.

Iris: Im Arbeitsalltag können wir nicht sagen, wer da wie viele Prozente wovon macht. Wir sind beide sehr motiviert und wollen in unserer Arbeit etwas weiterbringen. Es gibt so viel zu tun. Man muss wirklich schauen, dass man sich selbst richtig einteilt, Prioritäten setzt und Dinge auch mal warten lässt. Wir operieren schließlich nicht am offenen Herzen.

Wir haben einfach oft tolle Ideen und wollen die gleich umsetzen. Aber so schnell geht es dann eben nicht, wenn man nicht ständig am Wochenende, am Abend, also quasi rund um die Uhr arbeiten will.

Wie klappt Eure tägliche Zusammenarbeit?

Iris: Wir haben durchaus einen unterschiedlichen Arbeitsstil, woraus sich auch andere Herangehensweisen an Dinge entwickeln. Aber das kann ja nur produktiv sein, wenn man damit richtig umgeht. Wir haben mithilfe einer Supervision mit dem Team klare Kerngebiete für jede von uns definiert, für die sie zuständig ist. Wir wissen natürlich jeweils, was da passiert, aber eine ist dafür verantwortlich.

Martina: Nachdem wir beide immer das Beste für die Sache wollen, kommen wir da nicht in die Verlegenheit von großen Konflikten. Am Ende zählt, was das Team braucht, welche Inhalte wir vorantreiben wollen und welche Ergebnisse wir erzielen möchten.Hier ziehen wir an einem Strang, und es funktioniert.

Iris: Natürlich beschäftigen wir uns auch damit, wie wir unsere Arbeit gestalten wollen. Wir wollen Learnings generieren. Dafür muss man definieren, wer wo den Lead übernimmt. Die Kommunikation der Ergebnisse muss dann gut nach innen und nach außen erfolgen. Wir müssen sicherstellen, dass der Informationsfluss passt und jeder Bescheid weiß, der bzw. die Bescheid wissen muss.

Und welche Art der Übergabe bzw. des Informationsflusses habt Ihr untereinander?

Iris: Wir setzen uns gegenseitig in Emails auf CC, sobald ein fachliches Thema betroffen ist. Jede muss immer über alle Entscheidungen bzw. über den Status eines Projektes Kenntnis haben. Dazu haben wir wöchentliche Jour Fixes, die mindestens 1,5 Stunden dauern und sehr effizient und klar strukturiert sind. Das muss sachlich und knackig gehen.

Martina: Allerdings muss man dann auch drauf achten, dass das Persönliche nicht zu kurz kommt. Es muss da auch ein Austausch stattfinden können – wir sind ja keine Maschinen.

Wichtig ist, dass wir gemeinsam als Allererstes das Langfristige und Strategische abstimmen. Das ist das Um und Auf. Wenn das mal definiert ist, dann besprechen wir die operativen Schritte.

Martina, willst du dich dann in 4 Jahren, wenn Iris tatsächlich in Pension geht, allein oder wieder im Duo auf die Stelle bewerben?

Martina: Ich war vor meiner zweiten Karenz schon in der Stellvertretung und hatte geplant mich auf die Führung – aber gleich im Tandem (!) – zu bewerben. Die Tandemvariante empfand ich damals bereits attraktiv, weil mein Partner und ich ein weiteres Kind geplant hatten und mir klar war, dass ich für eine gewisse Zeit zeitlich nur eingeschränkt zur Verfügung stehen würde. Mich allein zu bewerben mit dem Wissen, dass wir Familiennachwuchs planen, hätte nicht meinem Verantwortungsbewusstsein entsprochen. Leider fand ich zum damaligen Zeitpunkt keine passende Führungspartnerin, und somit hatte es sich erübrigt. Die Stelle war eine riesengroße Verantwortung, meine letzte Chefin hat große Fußstapfen hinterlassen, die es zu füllen galt. (lacht)

Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich mich in ein paar Jahren alleine und in Vollzeit bewerben werde. Bis dahin habe ich dann gemeinsam mit Iris sehr viel Erfahrung in der Führungsposition gesammelt, das fachliche Knowhow ist durch mein 15-jährige Tätigkeit in der Abteilung bereits vorhanden.

Wie seht Ihr beide das AMS als Arbeitgeber?

Iris: Das AMS wurde ja 1994 aus dem Ministerium ausgegliedert und arbeitet seither unter einer eigenen Geschäftsführung. Das lässt uns sicher in einigen Dingen recht flexibel agieren. Wir sind Teil der Zertifizierung von Familie und Beruf GmbH für ein familienfreundliches Unternehmen. Wir haben uns dem EFQM (European Foundation for Quality Management) verschrieben und beschäftigen uns mit Nachhaltigkeitszielen und den Sustainable Development Goals (SDG – Agenda 2030).

Frauen in Führung, Führung in Teilzeit und Vereinbarkeit sind Themen, die unser Management stark prägen.

Martina: Übrigens haben wir ein eigenes Projekt im AMS zum Thema Führung in Teilzeit umgesetzt und Handlungsleitfäden für Führungskräfte, die in Teilzeit führen möchten, entwickelt. Ebenso gibt es einen klar definierten Prozess zur lebensphasenorientierten Personalpolitik im AMS. Führung in Teilzeit ist ein Modell neben vielen Vereinbarkeitsangeboten, die das AMS seinen Mitarbeiter:innen bietet.

Das AMS bemüht sich mit dem Modell, wie Iris und ich es leben, auch den Wissenstransfer sicherzustellen. Tandems fungieren grundsätzlich so, dass sie unterstützen Wissen im Unternehmen zu halten. Es muss Vertretungen geben. Planstellen, wo eine längerfristige Übergabe eingeplant ist, gibt es zu wenig. Das heißt, wenn jemand in Pension geht oder das Unternehmen verlässt, hinterlässt er oder sie natürlich eine Lücke.

Die Jobsharing Variante minimiert dieses Risiko. Wir sind damit jedenfalls sehr zufrieden.

 

Vielen Dank, liebe Iris, liebe Martina für das spannende Gespräch!

 

 

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