Wir beweisen einfach, dass es funktioniert

Stephanie Veigl und Kathrin Brunner teilen sich eine Führungsposition bei Wien Energie

Es ist uns wichtig als Role Models andere zu inspirieren

Diesmal treffe ich, Sigrid Uray-Esterer, ein sehr dynamisches Duo an Frauen, die gemeinsam die Fachassistenz der Geschäftsführung (DI Karl Gruber MBA) bei der Wien Energie übernommen haben. Das Spannende daran ist, dass sie gerade im September22 gestartet haben – unser Interview fand am 28. November22 statt. Sie sind also „frisch“ in der gemeinsamen Rolle, aber beide sehr erfahrene Energie-Expertinnen. Die eine mit mehr Fokus auf den betriebswirtschaftlichen Kontext, die andere aus technischer bzw. politischer Sicht.

Wie die beiden sich gefunden haben, wie sie gemeinsam arbeiten und was sie sich von dem Modell bzw. der Zusammenarbeit erwarten, erzählten sie mir in der Wien Energie Zentrale in Erdberg, im 3. Bezirk in Wien.

Kathrin und Stephanie leben für die Energie Wirtschaft

Kathrin Brunner-Hürner hat ihre berufliche Historie bei der Wien Energie im Bereich Public Affairs, der WienIT als Produkt- & Innovationsleiterin und zusätzlich Erfahrungen als Senior Beraterin & Projektleiterin bei einem Beratungsunternehmen. Erst jüngst, nach der Geburt ihrer Tochter, wurde sie als Teilzeit Mitarbeiterin von Geschäftsführer Karl Gruber wieder zurück zur Wien Energie geholt.

Da sie „nur“ in Teilzeit zur Verfügung stand, und die Position als Fachassistenz schlicht mehr Arbeitszeit erfordert, entschied der Geschäftsführer, dass der Job aufgeteilt werden könnte.

Somit wurde Stephanie Veigl hinzu rekrutiert, die aus der Energie und Umwelt Technik kommt. Sie hat ihre Sporen beim VKÖ, als Energie Referentin, Parlamentarische Mitarbeiterin des Energiesprechers und in der Gewerkschaft verdient. Bis sie schließlich von Karl Gruber als zweite Hälfte von Kathrin abgeworben wurde. Zusätzlich zu dieser Funktion bekleidet sie allerdings auch noch die Fachassistenz von anderen Bereichen bei der Wien Energie. Sie arbeitet in Vollzeit – zur Hälfte im Tandem, zur Hälfte in zwei Fachbereichen.

Das geht nicht?

Die beiden motivierten und energiegeladenen Damen beweisen das Gegenteil.

Kaffee mit Wasser und Mikrofon plus Notizbuch braucht man für das Interview

Wir werden eine Lösung finden

 

Vielen Dank, liebe Kathrin, liebe Stephanie, dass wir heute über Euer – noch ganz neues – Jobsharing Konzept sprechen. Erzählt uns doch mal, wie Ihr dieses etwas ungewöhnlich strukturierte Modell der Zusammenarbeit gekommen seid. Wie läuft der Alltag bei Euch ab?

Kathrin: Karl Gruber hatte sich bei mir gemeldet und gefragt, ob ich bei ihm die Fachassistenz machen möchte, worauf ich meinte, das geht bei mir aufgrund meiner kleinen Tochter momentan nur in Teilzeit. Seine Antwort: „Dann werden wir eine Lösung finden.“ So entwickelte sich die Idee zum Job Tandem, weil ich das bei der Unternehmensberatung auch schon erlebt habe. Er war gleich begeistert von der Idee und meinte, wenn sich das bei uns gut etabliert, wäre das vielleicht eine Idee für die ganze Organisation. Danach sind wir auf die Suche gegangen.

Also habt Ihr Euch überlegt, was braucht die Führungskraft für die Rolle? Welche Fähigkeiten müssen abgedeckt sein? Oder wie genau muss man sich das überlegen?

Kathrin: Ich bin sehr organisiert und habe ein hohes Maß an Perfektionismus in meiner Tätigkeit. Da brauche ich jemanden, der damit umgehen kann. Ich bin aber auch anpassungsfähig und habe mich auch auf das Gespür unserer Führungskraft verlassen, als er mir Stephanie vorgeschlagen hat. Stephanie war dann „mutig“ und hat in Vollzeit die Herausforderung übernommen. Sie ist halb im Tandem mit mir tätig und zur anderen Hälfte in den anderen Fachbereichen.

Stephanie, das klingt jetzt doch sehr ungewöhnlich bzw. unvorstellbar. Wie hast du dich in diese Rolle eingefunden? Wie funktioniert die Arbeit in dieser Konstellation?

Stephanie: Ich bin nicht nur zur Hälfte bei Karl Gruber und zur anderen Hälfte bei einem anderen Fachbereich. Sondern ich arbeite tatsächlich noch in zwei zusätzlichen Bereichen. Ich möchte mich zusätzlich zur Facharbeit für die Geschäftsführung gerne am Auftrag beteiligen, Wien bis 2040 im Strombereich wie auch im Wärme-& Kältebereich zu dekarbonisieren.

Ich kann gleich zu Anfang erwähnen, dass wir uns von den Fähigkeiten und Erfahrungen perfekt ergänzen. Kathrin hat den betriebswirtschaftlichen Hintergrund, ich den technischen bzw. politischen Zugang.

Ich mag ihre gut strukturierte Art zu Arbeiten und alles zu organisieren. Ich bin da nicht ganz so genau wie sie, aber ich lerne da auch von ihr. Wir kommen prima miteinander zurecht. Mir hat es außerdem beim Einstieg sehr geholfen, dass sie die Arbeitsstruktur im Vorhinein schon etabliert hatte, da habe ich mich gut reingefunden.

 

Ihr seid wirklich großartige Vorbilder, die ja nicht nur das Jobsharing als flexibles Arbeitsmodell vorleben, sondern auch in einem eher männerlastigen Umfeld tätig sind. Wir bemühen uns momentan sehr darum mehr Frauen in technische oder naturwissenschaftliche Berufe zu bringen. Ihr seid also quasi Role Models im doppelten Sinne. Es ist definitiv ein gutes Zeichen nach außen, dass Ihr „mit Kind“ und Teilzeit in diese Jobs geholt worden seid. Das spricht einerseits für ein offenes Mindset im Unternehmen und andererseits dafür, dass Eure Kompetenzen und Qualifikationen im Vordergrund stehen. Nach dem Motto: wenn die Fähigkeiten passen, dann findet sich der Rest schon!

Wie läuft denn nun der Arbeitsalltag bei Euch ab? Stephanie, du hast ja mehrere Chefs und Teams. Wie arbeitet Ihr unter den Abteilungen/den Bereichen bzw. auch mit den Kolleg:innen zusammen, die mit Euren Funktionen zu tun haben?

Stephanie: Organisatorisch bin ich direkt bei Karl Gruber – der Geschäftsführung – angesiedelt. Sollte die Situation eintreten, dass tatsächlich alle auf einmal etwas von mir benötigen, dann gibt es eine Instanz, die mich bei der Priorisierung der Themen unterstützt – und das auch zu den anderen Abteilungen kommuniziert. Ich möchte ja meine Ziele auch erreichen können. Es braucht viel Kommunikation und große Transparenz darüber, welche Aufgaben gerade am Tisch liegen und gemacht werden müssen. Die Führungskräfte der Bereiche brauchen ein Verständnis bzw. eine Akzeptanz, dass die Geschäftsführung immer wieder Dinge von mir benötigt, die ich dann erledigen muss. Bis dato hat das aber sehr gut geklappt.

Nachdem Ihr ja sehr frisch in dem Modell seid, ist es spannend zu hören, wie Ihr Eure Zusammenarbeit strukturiert habt. Wie habt Ihr Euer Arbeitskonzept in die „Außenwelt“ kommuniziert? Wer macht was? Wer wird wann wie kontaktiert? Wie reagiert auch Euer Umfeld auf zwei Ansprechpartnerinnen?

Kathrin: Ich bin schon seit Mai in der Position, Stephanie kam im September dazu. Da haben wir ein Monat lang fast Vollzeit wirklich zusammen gearbeitet. Wir wollten Stephanie in das Unternehmen, die Strukturen und Prozesse hineinholen.

Nun bin ich zweieinhalb Tage die Woche da. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Vormittag – Stephanie ist am Montag, Donnerstag Nachmittag und Freitag mein Twin.

Organisatorisch arbeiten wir so, dass wir, immer wenn wir Übergabe haben, ein „Check-in“ bzw. ein „Check-out“ machen. Das ist ca. eine halbe Stunde, wo wir uns die Themen übergeben. Bei uns gibt es neben langfristigen, strategischen Themen vor allem viele kleinteilige, kurzfristige Aufgaben.

Aus dem Kompetenzbereich gibt es Aufgaben, die wir uns strategisch aufteilen – gerade, was das Stakeholder Management angeht. Das kommt aus der beruflichen Vergangenheit jeder Einzelnen. Da teilen wir diese längerfristigen Bereiche auf, ansonsten arbeiten wir an den Aufgaben an den Tagen, an denen wir da sind.

Stephanie: Wir haben im Intranet und auch den Führungskräften bzw. im Bereichsleiter Meeting unser neues System kommuniziert. Es steht auch in den Kontaktdaten dabei. Wir sind jeweils in allen Emails auf CC, so dass wir jede Information zumindest haben. Die Aufgabenerfassung machen wir in Teams – jede weiß genau, welche Aufgabe gerade offen oder abgeschlossen ist. Mit der Emailflut können wir insofern umgehen, dass wir uns wirklich an den jeweiligen Tagen genau auf die Themen des Tages konzentrieren. Wenn ich in meinen beiden anderen Bereichen arbeite, bin ich physisch in einem anderen Büro und arbeite nur für diese Themen – und schau mir die Emails aus der Geschäftsführung auch nicht an. Wenn ich in meiner Tandem Funktion arbeite, bin ich physisch im Stock der Geschäftsführung und bearbeite nur die Emails davon. Ansonsten registriere ich nur den Eingang der jeweils anderen Mails.

Kathrin: Wir teilen uns kein Postfach, weil wir auch noch zusätzlich das Postfach des technischen Geschäftsführers im Blick haben müssen. Die administrativen Tätigkeiten erledigt eine Assistenz – die fachlichen Themen bearbeiten wir. Daher ist es für uns mit der „CC-Kultur“ einfacher, um nicht drei Postfächer überblicken zu müssen. Wenn uns an einem Tag eine Aufgabe begegnet, wo wir auf Informationen zurückgreifen müssen, dann sehen wir den Email Verlauf dazu aber immer.  

Stephanie und Kathrin lachen sich an

Ein Modell für Menschen, die den Vorteil in der Teamarbeit sehen

 

Wie funktioniert die Arbeit mit den Kolleg:innen intern?

Stephanie: Ich muss schon immer wieder rückmelden, dass ich gerade im Büro der Geschäftsführung bin. Aber natürlich sind manche Dinge doch auch dringend, da schätze ich ab, was unbedingt jetzt getan werden muss. Aber im Großen und Ganzen hat es noch keine nennenswerte Konflikte deswegen gegeben. Die Akzeptanz ist durchaus gut.

Kathrin: Dadurch, dass wir die CC-Kultur haben, wissen die Kolleg*innen, dass entweder Stephanie oder ich die Aufgaben bearbeiten.

Stephanie: Ich habe sehr klare Aufgabenbereiche auch in den anderen Fachbereichen, wo ich einigen Leuten „zuarbeite“. Da habe ich nicht so viele Ansprechpartner:innen. Meine beiden anderen Chefs sind beide Chefinnen, was ich super finde, weil das zwei technische Bereiche sind. Die beiden unterstützen mein Modell sehr, weil es auch Frauen hilft. Und ansonsten sage ich es in fast jedem Gespräch noch einmal dazu – wir kommunizieren das total proaktiv, bis es auch überall angekommen ist.

Wie schaut es mit der Sichtbarkeit, mit der Weiterentwicklung und dem beruflichen Fortkommen aus? Wem wird da was zugeordnet? Kathrin, als Teilzeitkraft, hast du da das Gefühl, dass du da „zu kurz“ kommst? Wirst du im Sinne der Karriere genug wahrgenommen?

Kathrin: Da habe ich gar keine Bedenken. Wir nehmen alles, wie es kommt.

Stephanie: Dadurch, dass wir aus recht unterschiedlichen fachlichen Bereichen kommen, glaube ich, dass wir uns auch in unterschiedliche Fachrichtungen weiterentwickeln werden. Auf der anderen Seite nennen wir uns gegenseitig bei Präsentation und Ähnlichem, so dass das Umfeld auch weiß, dass die andere auch beteiligt war. Für ein großes Ego ist hier definitiv nicht viel Platz.

 

Wir haben das Problem zum Teil der Lösung gemacht.

 

Kathrin, schaffst du in diesem System deine Teilzeit Stunden auch wirklich einzuhalten?

Kathrin: Momentan ist die Arbeit durchaus etwas mehr, allerdings fühle ich mich fair behandelt. Denn wenn weniger zu tun ist, kann ich das auch wieder ausgleichen. Es wird alles erfasst und auch Arbeitsmeetings bei der Anreise im Zug – ich pendle aus Amstetten in die Arbeit – werden als Arbeitszeit gerechnet. Nachdem mein Chef auch mit dem Zug aus St. Pölten anreist, arbeiten wir oft in der Früh schon im Zug gemeinsam und klären viele Dinge. So nutzen wir die Zeit, die durch das Hin-und Herfahren „verloren“ wäre sinnvoll direkt zum Arbeiten.

Es braucht den Mut, um mit der Organisation flexible Methoden und Prozesse zu verhandeln, das stimmt. Wenn man Flexibilität anbietet, dann ist sehr viel möglich. Die Arbeitnehmer:innen sind ja auch bemüht Lösungen gemeinsam mit dem Arbeitgeber zu finden. So kann man die Jobs dann eben auch erhalten und die Potentiale der Arbeitenden nutzen.

Kathrin: Ja genau. Wir haben zuhause auch nicht unendlich viel Kinderbetreuung, Omas und Tanten ohne Ende, auf die ich zurückgreifen kann. Mein Mann und ich teilen uns das gut auf. Das muss gemeinsam besprochen, organisiert und umgesetzt werden. Vor allem am Land hatten wir mit der Betreuung eine ganz schöne Herausforderung – haben da aber Gott sei Dank nach langer Suche eine Lösung gefunden.  

Stephanie: Ich reise innerhalb Wiens auch eine Stunde an und schätze es sehr, dass wir hier so flexibel arbeiten können. Wir haben die Möglichkeit bis zu 3 Tage in der Woche im Home Office zu haben – allerdings muss ich sagen, dass ich in meinen Funktionen diese Möglichkeit nicht ganz nutze. Ich muss und will für meine Aufgaben mehr im Office sein. Allerdings habe ich natürlich alle Freiheit, wenn ich Artztermine oder Ähnliches habe, dass ich dann eben ganz flexibel bin.

Wie schaut denn Eure Vision für die Zukunft aus? Was habt Ihr beruflich noch vor? Was glaubt Ihr, mit Eurer Arbeit bewirken zu können? Wie seht Ihr auch die Vorteile von Jobsharing?

Kathrin: Momentan versuchen wir mal das Modell gut und stabil zum Laufen zu bringen. Wir wollen Role Models, Vorbilder, innerhalb der Organisation aber auch insgesamt für das Modell werden. Es ist wichtig zu signalisieren, dass man damit viele neue berufliche Perspektiven bekommt. Die Teamarbeit nehme ich als sehr positiv wahr. Wir lernen sehr viel voneinander. Ob ich jetzt länger in Teilzeit oder wann ich wieder in Vollzeit arbeiten werde, weiß ich zum momentanen Zeitpunkt nicht.

Stephanie: Ich gehe da fast ein bisschen ideologisch an die Sache ran. Unser Vorbild soll ein Anstoß sein, die Kultur in unserem aber auch in anderen Unternehmen nachhaltig zu ändern, zu transformieren. Das habe ich von Karl Gruber quasi als Auftrag so mitgenommen. Wir sollen vorleben, dass Jobsharing funktioniert. Unsere Funktion wird als Führungsposition gesehen – also als Topsharing. Und das soll nicht nur für Frauen, sondern natürlich auch für Männer gelten, die mehr Kinderbetreuungstätigkeiten übernehmen können. Ich sehe das als meinen Beitrag die Gesellschaft ein wenig weiterzuentwickeln und Dinge zu verändern.

Ich will auch Frauen in Führung unterstützen. Allein in der Energiewirtschaft haben wir um die 30% Frauen – in Führungspositionen dann auf einmal nur mehr „Null Komma“. Frauen sind da quasi nicht mehr vorhanden. Das muss sich ändern.

Kathrin: Hochqualifizierte Frauen (in Teilzeit) sind noch ein eher brachliegendes Humankapital, das gesehen und genutzt werden sollte. Wir wollen einen Beitrag leisten, dass mehr Frauen ihren Berufsweg erfolgreich weitergehen können und der Karriereknick verhindert bzw. aufgehalten wird.

 

Vielen Dank, liebe Kathrin, liebe Stephanie für das Gespräch und viel Erfolg für Eure weitere Zusammenarbeit!

Ich stehe auf dem Logo Teppich der Wien Energie

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