Hilf mir beim Denken

Christian und Petra sind Co-Geschäftsführer bei dm drogeriemarkt

Wir meistern Herausforderungen miteinander

dm drogeriemarkt ist jedem Österreicher ein Begriff. Ein Erfolgsgeheimnis des etablierten Drogerie-Unternehmens ist es den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – als Kunde, als Partnerunternehmen, aber auch als Mitarbeiter:in.

Vor allem gegenüber der Beschäftigten bemüht man sich um gemeinsames Lernen, gelebte Diversität und vertrauensvolle Beziehungen als oberste Werte.

Nicht erstaunlich, dass das Unternehmen mit einem Frauenanteil von über 75% und vielen Teilzeitkräften, entschieden hat Jobsharing als flexibles Arbeitsmodell einzuführen.

Als leuchtendes Beispiel für ein erfolgreich umgesetztes und funktionierendes Topsharing oder Shared Leadership gehen hier die Geschäftsführenden Marketing & Einkauf Petra Gruber und Christian Freischlager voraus.

Als einen unserer ersten JobTwins Partner durften wir nun die beiden Leader zum Interview zu ihrer ganz persönlichen Zusammenarbeit bitten.

Wie kann gemeinsames Führen aussehen?

Petra Gruber ist seit 2008 beim Unternehmen und arbeitete einige Jahre als Sortimentsmanagerin in den unterschiedlichsten Bereichen, später als Geschäftsführerin für den Einkauf und als Aufsichtsrätin für den kroatischen Markt. Nach ihrer Schwangerschaft und einer 6 monatigen Karenz, nach der ihr Mann noch weitere 8 Monate übernahm, kam Petra in Vollzeit in die geteilte österreichische Geschäftsleitung für die Bereiche Marketing und Einkauf mit Christian Freischlager zurück.

Christian ist ebenfalls schon seit 12 Jahren bei dm und war viele Jahre in Vertrieb und Sortimentsmanagement tätig. Daher kannten sich die beiden heutigen Jobsharer bereits sehr gut und wussten, dass sie sich die gemeinsame Leitungsfunktion gut vorstellen konnten.

Seit 2020 haben sie nun die lokale Geschäftsleitung für den Bereich Einkauf und Marketing über. Sie erzählen im Interview über ihre Anfänge in der Zusammenarbeit und wie sie heute ihre Aufgaben teilen.

 

Die Stärken des Kollektivs nutzen und kollegiale Beziehungsgespräche sind der Schlüssel zum Erfolg

 

Liebe Petra, lieber Christian, herzlichen Dank an Euch, dass wir heute über Eure gemeinsame Arbeit als Geschäftsführende von dm drogeriemarkt sprechen können.

Ihr kanntet Euch ja schon einige Jahre aus der mehr oder weniger intensiven Zusammenarbeit im Sortimentsmanagement. Wie habt Ihr Eure Vorbereitung für die gemeinsame Führungsaufgabe gestaltet? Worauf habt Ihr besonders geachtet, und aus welchen Gründen klappt das Modell für Euch so gut?

Petra: Vor einigen Jahren waren die Ressorts bei uns noch sehr klar aufgeteilt und abgegrenzt. Jeder Bereich hatte eine Leitung, welche auch recht autonom gewirkt hat. Im Vergleich zu damals haben wir das Verständnis von Kollaboration weiterentwickelt und leben heute eine eng verzahnte bzw. vernetzte Interaktion. Das hat nun auch dabei geholfen, die gemeinsame Identität zu stärken.

Christian: Man hat dann überlegt die Geschäftsleitung insgesamt aufzuteilen. Ein Part sollte den Fokus auf lokale Exzellenz legen, der andere Part sollte sich mit dem internationalen Ausbau beschäftigen. Genau in dieser Phase kam Petra aus der Karenz zurück und wurde als Geschäftsleitung für Österreich eingesetzt. Ich bewarb mich dann dazu auf die Stelle. Wir waren uns gleich einig, dass wir die Aufgabe gerne gemeinsam für das kombinierte Ressort übernehmen würden.  Nicht nur, weil wir uns gut verstehen, sondern unterschiedliche Stärken einsetzen können, die der Position als solche zugutekommt.

Petra: Wir haben die Zusammenarbeit gemeinsam mit unserem Entwicklungsbegleiter Trigon vorbereitet und uns überlegt, wie die gemeinsame Führung für uns individuell aussehen könnte. Dazu haben wir sogenannte „Gütekriterien“ – also Werte - für unsere Kooperation entwickelt. Daraus entstand auch unser Leitsatz „Miteinander Herausforderungen meistern“. Dem sind wir bis heute treu geblieben.

Das bedeutet Euer Start war bereits sehr gut durchdacht und geplant. Aber wie lief es dann in der praktischen Umsetzung? Wie seid Ihr da vorgegangen, dass Ihr Euren gemeinsamen Weg gefunden habt?

Christian: Natürlich haben wir immer wieder Abstimmungen eingeplant, wo wir besprechen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wir sind immer offen für Adaptierungen und Anpassungen, wenn wir das Gefühl haben, es läuft nicht ganz in die richtige Richtung.

Handbuch, Leitfaden oder Ähnliches haben wir dazu keinen entwickelt – und auch nicht gebraucht. Wir haben uns gemeinsam (weiter) entwickelt.

Petra: Wir wollten eine gemeinsame Identität in unserer Rolle finden. Das funktioniert mit guter Kommunikation, ganz viel Transparenz und ein bisschen Mut. Wir haben uns überlegt, was sind unsere gemeinsamen Werte – Bedürfnisse – Ziele. Wenn man das abgleichen kann, dann kann man auch gut zusammenarbeiten.

Wie ist Euer Aufgabenbereich eingeteilt und wie arbeitet Ihr mit Euren Mitarbeiter:innen bzw. den Führungskräften zusammen?

Christian: Wir haben in Summe 16 „Direct Reports“, also direkte Mitarbeiter:innen, die wir zusammen führen. Diese sind Sortimentsmanger:innen in den unterschiedlichsten Kategorien sowie Manager für die Bereiche Kommunikation und Omni Channel Retailing. Wir leben bei dm eine Matrixorganisation, was bedeutet, dass jeder Manager neben seiner Sortiments- bzw. Fachheimat auch einen Schwerpunktaufgabe betreut, welche sich daran orientiert, dass man jeweils eine Nahtstelle zu einem wichtigen anderen Fachbereich bzw. Ressort koordiniert und gestaltet. In dieser Matrix verschränkt sich die Arbeit von Petra und mir ebenso. D.h. wenn ich mit einem der Manager intensiv in der strategischen Bearbeitung seiner Fachheimat arbeite, unterstützt Petra diese Person in der Ausgestaltung der Schwerpunktaufgabe. Dies haben wir bei allen Direct Reports so gelebt. Damit stellen wir sicher, dass wir zu allen Mitarbeitern eine intensive Wahrnehmungsoberfläche haben.

Petra: Systemtechnisch haben wir die Direct Reports aufgeteilt, nachdem uns aber alle Kolleg:innen beide gleichermaßen zu allen Themen ansprechen können, machen wir hier operativ keinerlei Unterschied. Wer gerade erreichbar ist, wird kontaktiert und bemüht sich um die Lösung des Themas.

Wir sind überzeugt, dass die Mitarbeitenden von uns beiden sehr profitieren und bereiten auch Beziehungs-und Potentialgespräche (Anm. regelmäßige Entwicklungsgespräche) gemeinsam auf. Ich führe dann die Gespräche mit „meinen“ Mitarbeiter:innen, Christian mit „seinen“. Das Feedback und der Input dazu kommen aber von uns beiden in gleichem Ausmaß.

Wie funktioniert Euer Arbeitsalltag und der Austausch zu den aktuellen Themen?

Christian: Das Wichtigste ist, dass wir die Strategie gemeinsam entwickeln. Wir haben dazu auch ein Modell erstellt, wo wir uns auf Mikro – Makro – und Mesoebene überlegen, wie die Zusammenarbeit miteinander aussehen soll. Wir wollen die Stärken des Kollektivs nutzen und die Meinungen und Inputs aller hören. Frei nach dem Motto: „Hilf mir beim Denken“. Dann kommen viel spannendere Ergebnisse heraus, als wenn ein Einzelner sich alles ausdenken muss.

Petra: Wir haben unsere Schwerpunkte nach unseren individuellen Stärken ausgesucht und haben somit unsere Fokusbereiche definiert. Das heißt aber nicht, dass der andere darin nicht lernen kann oder soll. Man muss im Arbeitsablauf überlegen und abschätzen können, wann es Zeit ist loszulassen und der andere übernimmt. Oder man braucht gerade Stabilität in einem Bereich und wenig Zeit da ist. Dann bleibt der Bereich erstmal mehrheitlich bei der erfahrenen Person. Grundsätzlich glaubt man im ersten Moment sicher, dass das Modell viel bürokratischer ist, als es in der Realität dann tatsächlich läuft.

Christian: Stimmt. Wir hören uns jeden Tag und tauschen uns aus. Wir arbeiten beide Vollzeit – sind aber an den Randzeiten durchaus unterschiedlich da. Jeder arbeitet, wie es seine Vereinbarkeit am besten zulässt, allerdings schaffen wir es schon, dass der Austausch immer schnell und anlassbezogen erfolgt. Wir sind quasi permanent im Austausch und können uns einfach und zeitnah abstimmen. Außerdem sollte man sich durchaus auch gemeinsame Zeitfenster einplanen, wo man Dinge in Ruhe besprechen kann, und nicht nur schnelle Update Meetings machen.

Wie lernt Ihr als Organisation mit dem Modell dazu, und wie stellt Ihr fest, dass Ihr auf dem richtigen Weg seid?

Petra: Wir haben bereits im Jahr 2013 gemeinsam mit Trigon ein Organisationsentwicklungsprojekt zur Feedbackkultur gemacht. Also dass wir unmittelbares und permanentes Feedback geben und uns gegenseitig spiegeln. Wir wollen anlassbezogenes und konkretes Feedback haben. Wir nennen es kollegiales Feedback oder nutzen es in den Beziehungsgesprächen. Wir beide machen das auch regelmäßig miteinander! Wenn man das immer wieder in den Berufsalltag integriert, dann kann man besser lernen manchmal auch kritische Rückmeldungen besser anzunehmen.

Wie schaut es bei Euch denn mit dem „Ego“ aus? Eines der größten Themen bei der geteilten Führung ist oft der Umstand, dass Führende gerne alleine für ihre Leistungen glänzen wollen. Wie geht Ihr damit um? Werdet ihr ausreichend als Individuen wahrgenommen?

Christian: Wir sind überzeugt, dass man gemeinsam nur besser wird – dafür muss man an das Modell glauben. Wir haben überhaupt nicht das Gefühl, dass wir nur einzeln glänzen können, oder gar unser Profil verlieren. Ganz im Gegenteil. Wir passen irgendwie sogar aufeinander auf, so dass nicht einer immer und die ganze Zeit im Mittelpunkt steht. Jeder erhält seine Sichtbarkeit.

Petra: Ich sehe das so, wie sich die Erde auch weiterdreht. Manchmal stehst du mit deinen Themen mehr in der Sonne, dann dreht sich alles weiter und der andere leuchtet stärker. Das ist eher Themen abhängig als aus dem geteilten Modell heraus.  Grundsätzlich drückt uns unsere gemeinsame Arbeit ganz und gar nicht in irgendein Korsett. Wir wollen und können selbst gestalten. Und das sehen wir sehr positiv und arbeiten sehr gerne auf diese Art und Weise zusammen.

 

Liebe Petra, lieber Christian, herzlichen Dank für Eure Zeit und die spannenden Einblicke in Euren Arbeitsalltag.

 

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